Geiß-Nidda Kirche

Beschreibung der Ev. Kirche Geiß-Nidda

Die Kirche von Geiß-Nidda ist kunstgeschichtlich von besonderer Bedeutung. Zum einen ist sie eine der ganz wenigen gotischen Basiliken in Oberhessen, zum anderen fällt auf, dass ein solch dreischiffiger Bau für eine Dorfkirche höchst ungewöhnlich ist. In der Regel sind Dorfkirchen einfache Saalbauten. Die Gründe für dieses relativ aufwendige Bauwerk sind uns auch heute noch verborgen. Es fehlt an mittelalterlichen schriftlichen Quellen, die uns genauere Hinweise darüber geben könnten, so dass wir nur Vermutungen anstellen können. 

Die Ursprünge
Nur wenige Quellen berichten aus der Frühzeit der Kirche. Das älteste schriftliche Dokument stammt aus dem Jahr 1232. Es handelt sich um ein Protokoll, das anlässlich der Heiligsprechung der Elisabeth von Thüringen in Marburg a.d. Lahn aufgenommen wurde. Darin berichtet eine Gertrud aus Bleichenbach, dass sie nach vierjähriger Lähmung (1226) zum heiligen Nikolaus nach Geiß-Nidda zog und dort teilweise geheilt wurde. Vollständige Heilung erfuhr sie dann sechs Jahre später am Grab der Elisabeth von Thüringen. Urheber war aber der hl. Nikolaus, der vermutlich in Form einer Reliquie präsent gewesen ist. Daraus kann man vermuten, dass  Geiß-Nidda zu dieser Zeit ein lokaler Heiltumsort, vielleicht auch Wallfahrtsort war. Das bedeutet, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits eine Kapelle oder Kirche mit einem geweihten Altar gegeben haben muss. 
Ein weiteres Dokument stammt aus dem Jahre 1234. Es handelt sich um einen Rechtsstreit, der adligen Brüder Heinrich und Hermann von Lißberg mit dem Kloster Fulda über die Patronatsrechte an der Kirche von Geiß-Nidda. Eine Beschreibung einer Reise des Sendgerichts durch die Wetterau aus dem Jahre 1435 belegt, dass Geiß-Nidda zu diesem Zeitpunkt eine eigenständige Pfarrei mit allen rechten und Funktionen hatte (wie z.B.  Seelsorge, Taufe, Begräbnis und das Recht zur Zehntsteuererhebung). Aus weiteren mittelalterlichen Quellen wird die zunehmende Verselbstständigung der Kirche Geiß-Nidda als auch des ganzen Dorfes deutlich. 
Eine grundlegende Veränderung der kirchlichen Verhältnisse brachte die Reformation, die 1527 im Landgrafentum Hessen und damit auch in Geiß-Nidda eingeführt wurde. Der letzte katholische Pfarrer Peter Thor ging nach Hirzenhain, wo er ins dortige Augustinerkloster eintrat. 

Grundriß und Bautyp
Die Kirche Geiß-Nidda liegt wie viele Dorfkirchen in der Umgebung in dominierender Lage auf einer Hügelkuppe am Rand des Dorfes. Dies ist sehr schön zu sehen, wenn man vom Bad Salzhäuser Kurpark aus den Fußweg nach Geiß-Nidda nimmt. 

Ihr heutiges Erscheinungsbild ist wesentlich vom Mittelalter geprägt. Betrachtet man den Grundriss, fallen drei Baukörper auf:

  1. Der massive Westturm als ältester Teil der Kirche.
  2. Das Kirchenschiff im Typus einer dreischiffigen Pfeilerbasilika, das wahrscheinlich einen älteren Vorgängerbau ersetzte. Mit ihm wurde vermutlich auch der Turm aus seiner Mittelachse gerückt. 
  3. Der Chor, der den  östlichen Abschluss bildet. Ihn flankieren im Norden die mittelalterliche Sakristei und im Süden ein neuer Heizungsanbau. 

Ähnliche Bauwerke findet man in der näheren Umgebung in Gelnhausen (Marienkirche),  im Zisterzienserkloster Arnsburg (Abteikirche), in Homberg/Ohm (Stadtkirche) und in Alsfeld (Walpurgiskirche). 

Baugeschichte
Es lassen sich neun Bauphasen nachweisen. Der erste Bauabschnitt fand wohl um 1205-07 seinen Abschluss: ein dreigeschossiger Turm aus Bruchsteinmauerwerk mit Ecksteinen aus Sandstein und im zweiten Obergeschoß zwei Rundbogenfenstern, die als Schallarkaden dienten. Ungefähr 10 Jahre später wurde der Turm um ein weiteres Stockwerk mit ähnlichen Arkadenfenstern erhöht (Bauphase 2).
In die zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fällt die Errichtung der dreischiffigen Basilika (Bauphase 3), deren kaum hervortretende Strebepfeiler ein Zeichen der Frühgotik sind. Das spitzbogige Nordportal wird zum Haupteingang der Kirche. 
In der ersten Hälfte des 14.Jh. folgt der Bau der Sakristei und des Vorgängerchores (Bauabschnitt 4), danach bis 1367 der Chor (Bauabschnitt 5). Der spitze achteckige Turm über vier Giebeln wurde 1445 errichtet (Bauabschnitt 6). Es folgten um 1500 das Gewölbe des Mittelschiffs (Bauabschnitt 7), die Verlegung der Glockenstube am Turm 

(Bauabschnitt 8) und im Jahre 1710 die Erneuerung des Dachstuhls und andere Renovierungsmaßnahmen (Bauabschnitt 9).

Das Eingangsportal
Vor dem Eintritt ins Innere fällt das Portal mit seinem Figurentympanon  ins Auge, dessen Original sich im Innern der Kirche befindet. Es handelt sich um eine ungewöhnliche Darstellung Christi. Anstelle des Johannes steht ein Heiliger im Meßgewand (vermutlich Bischof Nikolaus). Auch die Bestimmung der linken Figur als Maria ist nicht sicher, da ihr der Heiligenschein fehlt. Es könnte auch ein Mönch sein. Außerdem ist die Darstellung um eine vierte Person erweitert, die kniet und damit als Stifter gekennzeichnet ist. Auffällig ist auch, dass der Heilige wie ein Klosterabt dargestellt wird.

Das Innere
Tritt man in die Kirche ein, wird der erste Eindruck von Schwere und Gedrungenheit der Bauformen bestimmt. Breite Gurtbögen trennen die einzelnen Joche voneinander. Scheidbögen in derselben Form markieren den Übergang zum Mittelschiff, in dem sich dann der Raum weitet. 
Beachtenswert sind die Formen der Kapitelle, der Rundpfeiler und Säulenvorlagen, die im 12. und 13. Jahrhundert verbreitet waren. 
Im Gewölbe finden sich als Schlusssteine die Symbole des Opferlamms, das einer Rose (ähnlich dem Wappen Martin Luthers), und im Chor das Haupt Christi mit Kreuzesnimbus, sowie ein Adler, dem Symbol des Evangelisten Johannes. 
In den erhöhten Chor tritt man über einige Stufen. Die großen Maßwerkfenster geben Ausdruck von der reichhaltigen gotischen Formensprache.  Im mittleren Fenster findet sich der Apostel Petrus, der Evangelist Johannes und der Apostel Paulus. Eine Nische in der Südseite diente wohl im Mittelalter zur Aufnahme eines Priesterdreisitzes. 1913 wurde dort eine Gedenktafel für die Teilnehmer des deutsch-französischen Krieges 1870/71 errichtet. 
Die gesamte Ausstattung der Kirche präsentiert sich heute relativ schlicht, entsprechend dem protestantischen Selbstverständnis. Das man sich vor allem vor der Reformation eine viel reichhaltigere Ausstattung mit wahrscheinlich drei Altären vorzustellen hat, davon geben die Madonnaskulptur unter der Orgel (um 1500) und die Skulptur des Hl. Sebastian (um 1450) Ausdruck, die man vernachlässigt im Turm der Kirche fand, dann in der Sakristei aufbewahrte und erst seit wenigen Jahren wieder neu restauriert in der Kirche aufgehängt hat. Der Taufstein wurde gemäß seiner Inschrift im Jahre 1660 fertig gestellt.

Während des 19. und 20. Jahrhunderts gab es weitere Renovierungen  (1895 u. 1959) und Umbaumaßnahmen. Die letzte große Innenrenovierung erfolgte 1991 (Heizung) und 1993, bei der u.a. die Kanzel durch ein Pult und die unbequemen Bänke durch Stühle ersetzt wurden. 
 Es ist das Verdienst unseres Küsters Herrn Adolf  Schwab, dass die gut erhaltenen Kirchenbänke und auch ein früheres Kirchenfenster  von 1895 (?) nicht einfach verschwanden, sondern in der offenen Trauerhalle des Friedhofs von Geiß-Nidda eine neue Bestimmung gefunden haben.

 

Adresse

Kirchgasse 8
63667 Nidda